Arket. Viertes Siremon-Fragment | ANDERSWOLF

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Arket. Viertes Siremon-Fragment

Siremon
November 8, 2011

In einer der frühesten Fassungen der Geschichte war Arket noch Kirrens jüngerer Bruder, und sie beide lebten in einem kleinen Dorf abseits von Tilan, jener Stadt, in der später alles beginnen sollte. Arket war damals noch fast unsichtbar, unfassbar für mich, doch war mir die Bindung zwischen den beiden so deutlich, dass ich sie auch später nie lösen konnte. Selbst in einer der späteren Fassungen, da Arket und Kirren einander zu besiegen suchten, blieb immer noch klar, dass sie in der Vergangenheit Freunde und Vertraute gewesen waren. Vielleicht, das wurde mir später klar, muss das so sein, wenn man aufwächst, dem Vertrauten entwächst: man löst sich von allem, was die eigene Kindheit bedeutete, was einen mit jener verlorenen Zeit verband, um erkennen zu können, dass sie wirklich verloren ist.

„Es ist eine einfache Beschwörung. Selbst Du solltest das können.“
„Selbst ich? Wofür hältst du mich, einen Stein?“
„Selbst Du als Heiler solltest eine Flamme beschwören können. Es ist so einfach.“ Arket öffnete seine Faust, so dass Kirren die Flamme sehen konnte, die auf der Handfläche seines Freundes tanzte.
„Wenn Du heilen so einfach findest, kannst Du Dich ja das nächste Mal, wenn Du verprügelt wirst, selbst versorgen.“
Mit einem dumpfen Knall fing Arkets gesamte Hand Feuer, doch sah er nicht hinab, sondern starrte Kirren an. In seinen silbernen Augen spiegelten sich die nun lodernden Flammen. Kirren wusste selbst, dass seine Worte Arket verletzt hatten, und wie so oft kam ihm der Gedanke, dass er für einen Heiler zu gut Wunden reißen konnte. Andererseits hatte Arket dafür, dass er das Heilen zu den niederen Zweigen der Magie zählte, schon viel zu oft der Hilfe dieses niederen Zweiges bedurft, wenn er boshafte Bemerkungen über sein nichtmenschliches Erbe mal wieder nicht ignorieren konnte. Kirren ahnte, dass die Erwähnung der häufigen Angriffe auf ihn schmerzender war als diese selbst.
Doch dann, als Kirren schon befürchtete, Arket schlüge ihm die Flammen ins Gesicht, erlosch das Feuer zwischen ihnen und Arket ließ seine Hand und seinen Blick sinken. Als er wieder aufsah, glänzten seine Augen nicht mehr wie kalter Stahl, sondern schimmerten in dem Himmelblau, das er von seiner Mutter geerbt hatte. „Ich habe mir die Hand verbrannt“, sagte er heiser.
„Lass mal sehen.“
Arket hielt seine Hand wieder in die Höhe. Die Haut war an vielen Stellen vollends verbrannt und das darunter bloßliegende Fleisch glänzte schwarz und rot.
„Das ist gar nicht so schlimm, wie es aussieht.“ Kirren formte mit seinen Händen eine Kugel um Arkets Hand und öffnete sich der Kraft, die in ihm wie eine silberne Pflanze wurzelte. Dann konzentrierte er sich auf den Zauber, der das Gewebe kühlen und nähren, ihm die Erinnerung an Leben wiedergeben würde, und ließ dann seine Magie fließen. Leise fügte er hinzu: „Es ist ein ganz einfacher Zauber. Selbst Du solltest das können.“

Diese Freundschaft wollte ich nicht zerstören, ich musste. Wenn ich die Geschichte vorantreiben wollte, wenn ich wollte, dass Kirren sich seinem Schicksal stellt, dann musste ich ihn aus dem Schatten herausbringen, den der Halbmensch warf. Ich weiß nicht, ob ich Arket dazu wirklich hätte vernichten müssen, oder ob er auch an Kirrens Seite hätte kämpfen können. Ich habe es nie versucht.
So wie die Freundschaft zwischen dem Jungen ohne Erinnerung und dem Jungen mit zu viel Erinnerung keiner Alternative Raum ließ, sah ich auch keine Möglichkeit, Arket vor sich selbst zu retten. Das Feuer, das in Arkets Seele brannte, würde ihn mit der Zeit verzehren und wenig zurücklassen, das selbst ein Heiler mit göttlichen Kräften hätte retten können. Das einzige, was ich für Arket tun konnte: ich gab ihm Zeit, verlängerte sein Leiden an sich selbst weit genug, dass er erkennen konnte, dass hinter seiner Wut eine viel größere Kraft steckte.

Anders

Semiliterarisches Lebenslogbuch von
Anders Wolf, ab und an
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